Dunkle Wolken umgeben den deutschen Bundestag und die Fahnen wehen wild im Wind. Ein violett-farbender Luftballon steigt in die Luft. An ihm befestigt ein kleiner weißer Zettel. „Zukunft, Hoffnung und ein Pony“ lautet seine Aufschrift in lila Schreibschrift.  Was zuerst dem simplen Wunschzettel eines Grundschulkindes ähnelt, ist in Wahrheit das Motiv eines System-kritischen Plakats der 18-jährigen Schülerin Janet Wagner aus Hamburg und Gewinerobjekt des Plakatwettbewerbs der Community „respect“. 50 Tage nach der Bundestagswahl 2009 rief das Jugendnetwerk der Förderorganisation „Aktion Mensch“ diesen ins Leben. Unter dem Motto „Zukuft plakativ-respect meets politics“ setzten sich Jugendliche im Alter von 16 bis 22 Jahre mit der Thematik auseinander und entwarfen 300 Plakate mit politischen Botschaften. Anfang Mai standen die Gewinner nun fest. Mit dem Slogan „Lasst Träume nicht platzen“ konnte Janet W. mit Zukunftsvorstellungen von Kindern und Jugendlichen die Juroren überzeugen und gewann einen der begehrten fünf Teilnahmeplätze eines Kreativ-Workshops in Berlin. Doch nicht nur mit dem Motiv Zukunft und Hoffnung gelang es den Teilnehmern zu punkten. Auch Anne Gothe und Peter Frei konnten mit ihrer herausfordernden Plakatidee überzeugen. Mit dem Reklamesatz „Mein Studium kostete mich meine Unschuld“ entwarfen sie das Photo einer Prostituierten die mit roten Haaren und großer Sonnenbrille im Seitenfenster eines Autos erscheint. Die Botschaft der Gestalter ist eindeutig – Bildung darf keine Geldfrage sein. Provokant beschrieben sie, dass Studentinnen aber auch Studenten in Zukunft für eine gute Ausbildung soweit gehen könnten ihren eigenen Körper zu verkaufen. Die weiteren Gewinner-Plakate zeigten sich nicht minder aktuell oder kreativ. Ob Laufzeitverlängerung von Kraftwerken, Kinderarbeit, Fairtrade-Produkte oder Sicherheits-Überwachungen von öffentlichen Plätze,- alle Teilnehmer bewiesen kritisches Denkvermögen und machten auf aktuelle Debatten und Defizite der deutschen Regierung aufmerksam. Ziel der Veranstalter war es dabei engagierten Jugendlichen ein Forum zum diskutieren, kritisieren, debattieren und auffrischen zu geben – und das mit Erfolg. Hunderte von qualitativ hochwertigen und kritisch analysierenden  Beiträgen erreichten den Postkasten der Jugend-Community. Der Wettbewerb kann das Bild einer Jugend die keinerlei Interesse am politischen Geschehen ihrer Generation zeigt wiederlegen und kann damit zugleich als Gegenbewegung der Politikverdrossenheit unter Jugendlichen angesehen werden. Propagiert wurde das Phänomen der Politikverdrossenheit unter Jugendlichen durch die verheerenden Ergebnisse der Shell-Studie 2002. Dabei lag die Prozentzahl der politisch interessierten Heranwachsenden bei nicht mal 30 Prozent, die der politisch aktiven Schülerinnen oder Schüler bei knapp zehn Prozent. Das mangelnde Interesse am politisches Geschehen- zumindest im klassischen Sinne – erklärten sich Sozialforscher jedoch weniger anhand einer desinteressierten Einstellung innerhalb Heranwachsender sonder mehr anhand mangelndes Mitspracherecht. Bis zum Erreichen des 18 Lebensjahrs sind Jugendliche weltweit unmündig, sie haben rechtlich keinerlei Einfluss auf politisches Geschehen. Entscheidungen werden über ihre Köpfe hinweg getroffen, auf ihre Wünsche wird zu selten eingegangen.  Für Politiker sind Schüler und Schülerinnen keine interessante Ansprechgruppe, ihre Stimmen zählen nicht, also bevorzugen sie Jugend-irrelevante Themen in den Vordergrund zu stellen. So kürzen sie lieber an Bildungs- und Schulgeldern anstatt Gewerbesteuern zu erhöhen. Politikverdrossenheit ist also das falsche Schlagwort, es handelt sich viel mehr um einen Partein- und „Poltikerverdrossenheit“. Das grundsätzliche Interesse an Politik ist da- lediglich der Politik selbst gelingt es nicht auf die Interessen und Bedürfnisse junger Menschen einzugehen. Und es gibt in der Tat junge Leute, die sich über die Parteienlandschaft hinaus engagieren und informieren ob bei Bürgertreff, Internetforen oder Demonstrationen. So protestierten im Mai 2010 knapp zehntausend hessische Studenten und Schüler in Wiesbaden gegen geplante Kürzungen zu Lasten der Bildung (Hochschulpakt). Doch jegliche Anstrengungen blieben erfolglos.

Die Politik hatte bereits entschieden, wenige Tage später wurde der Hochschulpakt unterschrieben und durchgesetzt. Die Jugendliche unserer Zeit haben Wünsche, Ängste, Hoffnungen und ganz klare Standpunkte. Ob Studiengebühren, öffentliche Sicherheit oder Atomkraft die folgende Generation weiß um die Probleme ihrer Zeit, doch fehlen ihr die Foren sich darüber auszutauschen. Die Veranstalter des Wettbewerbs „Zukunft plakativ“ gaben ihnen ein Forum. Das Projekt war ein Test und dessen Ergebnis ist ein Appell. Die Initiatoren sahen es als Möglichkeit junge Menschen zum Nachdenken und Agieren zu aktivieren- und sie wurden aktiv. Politisches Interesse bedeutet  Neugier, Zuwendung, Aufmerksamkeit und Wachheit gegenüber politischen Angelegenheiten. All das haben die Teilnehmer des respect Wettbewerbs bewiesen. Sie stellten Fragen und waren gleichzeitig in der Lage Antworten zu geben. Damit stehen sie exemplarisch für eine Großzahl von Heranwachsenden die sich nach Zuhörern für ihre innovativen Ideen oder großen Reden sehnen doch keine finden. Genau dieses Zuhören sollten sich die Politiker ob, in Kanzleramt, Bundestag oder lediglich im lokalen Rathaus zur Aufgabe machen. Denn das Ziel und die Pflicht einer jeden Generation ist es die Probleme ihrer Zeit zu lösen. Nicht zu letzt kann was alle angeht auch nur von allen gelöst werden“. So sollte die Botschaft des lila farbenden Luftballons auf Janet W. Plakat vielleicht um einen weiteren Aspekt ergänzt werden „Zukunft, Hoffnung, ein Pony und etwas mehr Vertrauen?“

Natalia Kubesch